Hindernisse sichtbar machen
Lunestedt. Was ist Barrierefreiheit? Ist es der Fahrstuhl im Bahnhof? Die Rampe vor der Tür beim Arzt? Oder die behindertengerechte Toilette? Unabhängig von Behinderungen oder anderen Einschränkungen scheitern Menschen mit Behinderung im Alltag oft an ganz anderen Dingen. Schon die kleinste Schwelle erschwert den Einkauf oder Restaurantbesuch. Mit dem Enkel einen Spielplatz besuchen, fehlende Hinweisschilder und nicht ausreichende Beleuchtung am Bahnhof machen Menschen mit Behinderung das Leben Schwer. Dabei sollen öffentliche Orte, Verkehrsmittel und digitale Inhalte für alle Menschen gleichermaßen zugänglich sein.
Der Inklusionsbeirat des Landkreises Cuxhaven fordert schon lange eine Barrierefreiheit für alle Menschen - ob mit oder ohne Behinderung.
Stark für Inklusion
Um neue Perspektiven zu gewinnen, wandte sich Jürgen Wintjen vom Inklusionsbeirat des Landkreis Cuxhaven an die Gemeinde Beverstedt. Entstanden ist ein tolles Projekt mit dem Schülerrat, Lehrerinnen der Lunestedter Grundschule und dem Bürgermeister sowie einer Vertreterin des Beirats. Mit Rektorin Ines Woyciniuk wurde sofort eine engagierte Mitstreiterin gefunden. „Wie zugänglich ist unser Ort eigentlich für Menschen mit Beeinträchtigungen?“ Diese Frage stand am Anfang eines besonderen Projekts an der Grundschule Lunestedt. Gemeinsam mit dem Schülerrat wurde ein Konzept erstellt, um Barrieren im Alltag zu erkennen und Lösungsideen zu entwickeln.
Die Schülerinnen und Schüler verschafften sich einen genauen Überblick. Ob am Bahnhof, im Supermarkt, beim Bäcker, im Lubibad, auf Spielplätzen, an Bushaltestellen, am Sportplatz, im Feuerwehrhaus und natürlich an ihrer eigenen Schule. Sei es die fehlende Beleuchtung an der Bushaltestelle, eine Stufe am Bäckereingang, Spielgeräte, die mit dem Rollstuhl nicht genutzt werden können oder das fehlende WC für Menschen mit Behinderung im Schwimmbad. Die Kinder haben ganz genau hingeschaut und wichtige Fragen gestellt: „Kommt man hier mit einem Rollstuhl hin? Gibt es eine Toilette? Wie können alle mitspielen?“, berichtet Schulleiterin Ines Woyciniuk, die gemeinsam mit Nele Ahrens den Schülerrat leitet und zusammen das Konzept zum Projekt entwickelt haben. „Was dabei herauskam, ist beeindruckend. Es zeigt, dass die Kinder ein gutes Gespür für Gerechtigkeit und Teilhabe haben.“
Barrierefreiheit betrifft uns alle
Für Bürgermeister Guido Dieckmann ist das Projekt ein wichtiger Schritt: „Barrierefreiheit betrifft uns alle. Es geht darum, dass jeder Mensch sich ohne Einschränkungen bewegen und mitmachen kann - ob am Spielplatz, in öffentlichen Gebäuden oder beim Einkaufen. Dass ausgerechnet die Kinder dieses Thema so ernst nehmen, ist ein starkes Zeichen.“ Kinder haben einen anderen Blickwinkel. Der Blick der Kinder fiel auf Dinge, die vielen Erwachsenen gar nicht mehr auffalle. Dort, wo es keine Blindenmarkierungen gibt, wo Stufen im Weg sind oder wo eine Überdachung fehlt, haben die Kinder mit ihren Fragebögen und vielen Ideen angesetzt. Das Resümee von Jürgen Wintjen lautet. „Solche Projekte machen Mut, weil sie zeigen, dass Inklusion im Kleinen beginnt. Die Rückmeldungen aus Lunestedt sind so positiv, dass wir das Projekt jetzt auf zwei weitere Schulen im Landkreis ausweiten möchten.“
Auch Christine Wagner, Schriftführerin im Inklusionsbeirat, betont: „Barrierefreiheit ist keine Spezialanforderung für einzelne Gruppen - sie nützt allen. Wenn wir sie von Anfang an mitdenken, machen wir unsere Orte lebenswerter für alle Generationen.“ Eines hat dieses Projekt ganz klar gezeigt: Barrierefreiheit beginnt mit dem Hinschauen und mit dem Willen, etwas zu verändern.
Barrierefreiheit - von Beginn an
Ein Wunsch der Kinder: ein barrierefreies Spielgerät für den Schulhof, der auch nach Schulschluss als öffentlicher Spielplatz genutzt wird. Auch bei künftigen Planungen, etwa bei Neubauten oder Sanierungen, soll das Thema Barrierefreiheit stärker berücksichtigt werden. Vorschläge wie selbstöffnende Türen, barrierefreie WC-Anlagen oder besser beleuchtete Haltestellen wurden notiert und an die Gemeindeverwaltung weitergegeben. Vorgestellt wird das Projekt auch noch einmal öffentlich: Am Mittwoch, 2. Juli, um 10:10 Uhr beim „Großen Regenbogen“ an der Grundschule Lunestedt wird der Schülerrat seine Ergebnisse präsentieren.