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Janine Girth

Steuerfachleute schlagen Alarm - Verfassungswidrige Nachzahlungszinsen?

Viele von uns kennen das: Aus unterschiedlichen Gründen wird ein Steuerbescheid vom Finanzamt geändert. Interessanterweise führt dies in den meisten Fällen zu einer Steuernachzahlung. Damit allerdings nicht genug. Wenn seit Ende des zu ändernden Jahres mehr als 15 Monate vergangen sind, erhebt das Finanzamt auf die Steuerschuld zusätzlich noch Nachzahlungszinsen von 0,5 Prozent pro Monat, das sind 6 Prozent pro Jahr. So ist es in der Abgabenordnung geregelt.
Bereits seit geraumer Zeit werfen Steuerfachleute der Finanzverwaltung und dem Bundesfinanzministerium vor, dass die seit 1961 unverändert geltende Höhe dieser Nachzahlungszinsen mit den Marktzinsen für Geldanlagen von knapp 0 Prozent nicht mehr übereinstimmt. Passend dazu steht in der damaligen Gesetzesbegründung, dass durch diese Zinsen des Finanzamts der Zinsvorteil des Steuerbürgers, der durch die spätere Zahlung entsteht, abgeschöpft werden soll. Heute gibt es diesen Zinsvorteil nicht mehr.
Verfassungswidrig
Gegen diese Ungleichbehandlung haben Steuerbürger immer wieder bis vor das oberste Finanzgericht, den Bundesfinanzhof, geklagt. Diese Klagen wurden bisher regelmäßig abgewiesen. Doch damit ist jetzt Schluss! In mehreren Urteilen hat der Bundesfinanzhof 2018 festgestellt, dass die Höhe der Nachzahlungszinsen aus seiner Sicht nicht mehr verfassungsgemäß sei, und hat diese Frage deshalb dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Das Verfassungsgericht wiederum hat u.a. das Institut der Wirtschaftsprüfer um eine Stellungnahme gebeten. Diese im Oktober 2018 veröffentlichte Stellungnahme bestätigt die Verfassungswidrigkeit und verweist als Begründung auf das in Deutschland bestehende, nachhaltig verfestigte Marktzinsniveau von unter 3 Prozent.
Rückwirkende Aussetzung
Soweit ein Antrag durch den Steuerbürger oder seinen steuerlichen Berater gestellt wird, gewährt die Finanzverwaltung, aufgrund eines aktuellen Urteils des Bundesgerichtshofs jetzt sogar rückwirkend die Aussetzung der Vollziehung für Nachzahlungszinsen, die ab dem 1. Januar 2012 entstanden sind.
Bei dieser Problematik geht es für den Fiskus um sehr viel Geld. In den letzten Jahren lagen die jährlichen Zinseinnahmen bei über 2 Mrd. Euro.
Auf den Punkt gebracht, hat das Verfassungsgericht nun die Frage zu beantworten, ob die Höhe der Steuerzinsen an den Marktzinsen für Geldanlagen oder an denen für (kurzfristige) Darlehen zu messen ist. „Dass meine Berufskollegen und ich gegen Nachzahlungszinsen derzeit fleißig Einsprüche einlegen, versteht sich von selbst“, meint Steuerberater Thomas Feld.


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