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Patrick Viol

Wo Positionen kommunizieren: Die Ausstellung zum Paula Modersohn-Becker Kunstpreis überzeugt

Worpswede. Der Landkreis vergibt den 10. Paula Modersohn-Becker Kunstpreis. In der Großen Kunstschau und dem Barkenhoff sind die Werke der Nominierten, der Sonder- und Nachwuchspreisträgerinnen bis März ausgestellt. Besuchen kann man die Ausstellung vorerst nur online.
Läuft bei denen: Cihan Cakmak (in der Mitte) hat den Nachwuchspreis und Marie S. Ueltzen den Sonderpreis im Rahmen des Paula Modersohn-Becker Kunstpreises abgestaubt.  Foto: pvio

Läuft bei denen: Cihan Cakmak (in der Mitte) hat den Nachwuchspreis und Marie S. Ueltzen den Sonderpreis im Rahmen des Paula Modersohn-Becker Kunstpreises abgestaubt. Foto: pvio

Mit dieser Ausstellung sei der Paula-Modersohn Becker Kunstpreis auf das nächste Level gehoben worden, so die Überzeugung ihrer Kuratoren Beate C. Arnold und Jörg van den Berg. Und die Ausstellung hält, was die beiden versprechen: In den Räumen der Großen Kunstschau und dem Barkenhoff wurde auf eine beeindruckende Weise eine Kunstpreis-Ausstellung kuratiert. Und nicht nur, weil man ein weiteres Mal, nach der RAW-Ausstellung, den Schwierigkeiten der Pandemie trotzt.
Das Besondere hier ist: Verbleiben die Postionen von Kunstpreis-Nominierten bei ihrer Präsentation oftmals in einem bloßen Nebeneinander, gelangen sie hier - über ihre große formale Verschiedenheit - in einen Dialog. Nicht nur miteinander, sondern ebenso mit den Werken der Worpsweder Tradition. Hier kommuniziert die Gegenwart mit der Vergangenheit wie sich Gegenwärtiges gegenseitig um Perspektiven bereichert. Wodurch - auch das sei einmalig, wie Arnold und van den Berg betonen - auch die beiden Häuser in Kommunikation miteinander träten.
Allein diese Vielfältigkeit der Bezogenheiten verleiht der Ausstellung etwas Herausforderndes, ästhetische Erfahrung Stiftendes, weil sie unvermeidlich zum Innehalten zwingt und Freude am Entdecken von Interpretationsschichten weckt.
 
Wer und was ist zu sehen
 
Für den Hauptpreis sind sieben Künstler*innen nominiert: Diana Mercedes Alonso, Laurenz Berges, Susanne Kutter, Gabriela Oberkofler, Nikola Röthemeyer, Antje Schiffers und Thilo Schulz. Zudem werden im Rahmen des Paula Modersohn Kunstpreises ein Sonderpreis und ein Nachwuchspreis verliehen. Den ersten erhält Marie S. Ueltzen und den zweiten Cihan Cakmak. Während die Jury zur Ermittlung des Hauptpreises voraussichtlich erst im Februar 2021 zusammenkommen wird, beglückwünschte Landrat Bernd Lütjen am Donnerstag bereits Ueltzen und Cakmak. Der Sonderpreis geht an Ueltzen, weil, so die Jury-Begründung, sie mit „der Verbindung von Maklerei, Text und Stickerei eine unverwechselbare Spur auslegt - weil sie einen Sonderweg geht.“ Die in Osterholz-Scharmbeck geborene Cakmak erhält den Nachwuchspreis, da ihr kleines Fotobuch „einen tiefen Eindruck“ bei der Jury hinterließ und sie zu der Überzeugung brachte, dass in Cakmaks Ansatz „ein hohes künstlerisches Potential für die Zukunft liegt.“ Ueltzens großformatige Stickereien und Cakmaks Fotografien sind in der Ausstellung zu sehen.
Die Nominierten
 
Eine Provokation in unserer Zeit
 
Diana Mercedes Alonso arbeitet kleinformatig. Kleine, weiß bemalte rechte Holzbrettschnitte, auf denen sich meist eine hauchzarte Linie findet. Es sind leise Arbeiten, die zum genauen Hinsehen zwingen. Die sich selbst zurücknehmen und dadurch umso mehr Aufmerksamkeit und Hinwendung erfordern. Die Arbeiten von Alonso seien ein Gegengewicht zum Schneller und Mehr heutiger Zeit, so van den Berg.
 
Fein komponierte Tristesse
 
Cloppenburg und Duisburg. Das sind die Orte, die einem in den Fotografien von Laurenz Berges begegnen und die beim Betrachten eine Poesie der Leere, eine Präsenz von Gewesenem entfalten.
 
International Village Shop
 
Arbeiten von Antje Schiffers sind Fragmente gegenständlicher Vorstellungskraft und interkulturellem Dialog. Sie sind Stücke künstlerischer Bemächtigung einer nicht touristisch bereisten Welt.
 
Ein gebrochener Naturbegriff
 
In den Werken Paula Modersohn Beckers spielen Blüten und Blumen wiederkehrend eine Rolle. In den großformatigen Zeichnungen von Gabriela Oberkofler bilden sie das Zentrum. Dabei lädt deren fast manisch mikroskopische Ausgestaltung zur Reflexion des Verhältnis von Kultur und Natur ein und ermöglicht ein Verständnis ihrer Beziehung als eines der gegenseitigen Durchdringung.
 
Innen und Außen
 
Im Oktogon des Barkenhoffs finden sich die Werke von Nikola Röthemeyer. Zentral, unter der Kuppel, hängt ihre Arbeit Schwarmfänger. Eine Maschendrahtwolke, an der 222 schwarze Harpyien hängen. Papiervögel mit Menschenköpfen, genauer: mit den Köpfen von Paula Modersohn-Becker und Heinrich Vogeler. Durch die starke Präsenz der Installation in einem Fenster umrundeten Raum wird auf verschiedenen Ebenen das Verhältnis von Innen und Außen; durch ihren Mythologiebezug das von Vorstellungswelt und Realität thematisch.
 
Starre und Bewegung
 
Die Arbeiten von Thilo Schulz haben buchstäblich Gewicht, während sie zunächst - in Teilen - Leichtigkeit vermitteln. Eine Installation von ihm stellt sich direkt in den Weg. Ein Holzgerüst. An ihm hängen Lappen, wie alte Handtücher. Doch sie sind aus Beton. Bewegungslos. Entdecken lässt sich ihre Starre aber nur durch eigene körperliche Bewegung um die Installation herum. Welchen Charakter hat Bewegung in unserer Welt? Eine Frage, die einem an Schulz‘ Arbeiten aufgeht.
 
Katastrophe und Befreiung
 
Susanne Kutter macht auf den ersten Blick Dinge kaputt. Kronleuchter und Weingläser liegen zerbrochen am Boden, der ausgeschnitten an der Wand hängt. Auf dem zweiten Blick fragt man sich, ob Kutter den Dingen zum Ausdruck verhilft. Dass vielleicht die Form ihrer Intaktheit etwas Zerstörerisches hat.
 
Virtuelle Ausstellung
 Die Ausstellung kann vorerst nur virtuell besucht werden. Auf Facebook und YouTube finden Interessierte aufwendig produzierte Clips, die einen durch die Ausstellung führen. Zudem findet sich auf der Instagram-Seite des ANZEIGERS ein Kurzinterview mit Cihan Cakmak.


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