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Licht und Schatten

Niedersachsen (jm). Bei der richtigen Strategie zum Ausbau der Solarenergie gehen die Meinungen auseinander.

Photovoltaik-Freiflächenanlagen lassen sich nicht mit landwirtschaftlicher Nutzung vereinen. Die Alternative - sogenannte Agrar-Photovoltaikanlagen - ist finanziell weniger attraktiv.

Photovoltaik-Freiflächenanlagen lassen sich nicht mit landwirtschaftlicher Nutzung vereinen. Die Alternative - sogenannte Agrar-Photovoltaikanlagen - ist finanziell weniger attraktiv.

Ganz zufrieden ist niemand: Beim Ausbau von Solarenergie - insbesondere Photovoltaik-Freiflächenanlagen - fordern die einen mehr Tempo, während die anderen um ihre Flächen bangen.

Die Bundesregierung hat bereits zu Ostern Pläne vorgelegt, das Land Niedersachsen zog vor Kurzem nach: Der weitere Ausbau von Photovoltaik steht als Ziel sowohl im Osterpaket (und Erneuerbare-Energien-Gesetz) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz als auch im neuen Landesraumordnungsprogramm des Landes Niedersachsen. Um mehr Strom aus Solarenergie zu gewinnen, sollen neben Dächern und bereits versiegelten Flächen auch Freiflächen mit Solarzellen bestückt werden.

 

Von 5 auf 65 Gigawatt

 

Im Landesraumordnungsprogramm und im neuen niedersächsischen Klimaschutzgesetz ist das Ziel formuliert, bis 2035 eine Photovoltaik-Leistung von 65 Gigawatt im Land zu installieren - in 2021 kamen die vorhandenen Anlagen zusammen auf 5,1 Gigawatt. Vor diesem Hintergrund fordern Befürworter:innen dringend schnellere Genehmigungsverfahren und mehr Tempo beim Ausbau. Der Kreisverband der Grünen im Landkreis Osterholz befürchtet etwa, bis zum Bau einer Freiflächenanlage könnten wegen langwierigen Abwägungs- und Genehmigungsverfahren bis zu sechs Jahre ins Land ziehen. „Diese Zeit haben wir nicht. Die Klimakrise nimmt keine Rücksicht auf zu langsame Prozesse in der Verwaltung“, sagen die Sprecher:innen des Kreisverbandes Wolfgang Goltsche und Almut Helvogt. „Das CO2-Budget ist nach derzeitigem Stand in sieben Jahren aufgebraucht und wir wollen uns sechs Jahre Zeit lassen mit der Errichtung von Gegenmaßnahmen, wo doch bereits Angebote für Freiflächenanlagen im Raum stehen?“

Das neue Erneuerbare-Energien-Gesetz, in dem der Ausbau derselben als überragendes öffentliches Interesse und im Sinne der öffentlichen Sicherheit definiert wird, sehen die Politiker:innen als dringenden Handlungsappell für die Verwaltung vor Ort. Goltsche und Helvogt betonen außerdem, dass Freiflächenanlagen keine „unverrückbaren Konstrukte“ seien. „Sie können, sollte sich eine Fläche als ungeeignet herausstellen, schnell abgebaut, transportiert und an anderer Stelle aufgebaut werden. Natürlich darf die Planung nur mit Beteiligung der Landwirtschaft vorangetrieben werden, um wertvolles Ackerland für die Lebensmittel-Produktion zu erhalten.“

 

An Verfahren festhalten

 

Vertreter:innen der Landwirtschaft zeigen sich unterdessen besorgt über die neuen Entwicklungen - sie befürchten, landwirtschaftliche Flächen könnten verloren gehen. Das geht bisher nicht ohne Weiteres: Im Landesraumordnungsprogramm ist klar formuliert, dass Vorbehaltsgebiete für die Landwirtschaft nicht für Photovoltaik-Freiflächenanlagen genutzt werden sollen. Die entsprechende Kommune müsste dafür den Flächennutzungsplan ändern und einen Bebauungsplan aufstellen.

Die Niedersächsische Landjugend (NLJ) fordert, an diesem Verfahren festzuhalten. „Fruchtbares Ackerland darf nicht als Produktionsfläche für Nahrungsmittel verloren gehen“, sagt Luise Brinkmann, Agrarausschusssprecherin der NLJ. Die Kommunen sollten auch in Zukunft in den Planungsprozess einbezogen werden und dürften keinesfalls übergangen werden.

Die Agrar-Expertinnen der Landjugend wünschen sich darüber hinaus eine agrarstrukturelle Verträglichkeitsanalyse im Vorfeld eines Bauvorhabens. Die Landwirtschaftskammer sei dabei als Fachbehörde in der Lage, die Verträglichkeit nicht nur im Einzelfall zu beurteilen, sondern auch die Agrarstruktur einer ganzen Region im Blick zu behalten. „Dies ist umso wichtiger, wenn Bauvorhaben von Freiflächenanlagen durch überregionale Investoren und Firmen geplant werden, die keinen direkten Bezug zur örtlichen Landwirtschaft haben“, so Luise Brinkmann.

 

LWK rät zu Vorsicht bei Verträgen

 

Grundsätzlich lehne man Freiflächenanlagen nicht ab, betont die NLJ - schließlich seien sie für Landwirtinnen, die selbst Eigentümer:innen ihrer Flächen sind, auch interessante Möglichkeiten der Wertschöpfung. Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK) rät Eigentümer:innen allerdings, bei den Verträgen genau hinzuschauen und sie juristisch prüfen zu lassen.

„Häufig wird in den Nutzungsverträgen mit hohen langfristigen Pachtzahlungen für die Unterschrift geworben“, erklärt Sebastian Bönsch, Energie- und Bauberater der LWK, „doch die oft 10- bis 15-seitigen Nutzungsverträge zuzüglich der Anlagen können auch Fallstricke enthalten.“

Eine wichtige Frage sei etwa, ab wann das Nutzungsentgelt gezahlt wird. Auch, was nach dem Auslaufen des Vertrags mit der Anlage passiert, sollte klar geregelt sein. Weitere Fragen, die unbedingt geklärt sein sollten, betreffen Ernteverluste, Rückbau- und Bürgschaftsverpflichtungen sowie Rücktritts- und Kündigungsrechte. „Auch wenn es Geld kostet: Lassen Sie sich juristisch, steuerlich und fachlich beraten“, empfiehlt Bönsch, „Sie unterschreiben Verträge, die vielleicht Auswirkungen auf die nächsten 40 Jahre haben können.“


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