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Lena Stehr

Braucht der Wald mehr Personal?

Niedersachsen. In Anbetracht von immer mehr Schadholz bei gleichzeitigem Abbau von Personal in niedersächsischen Wäldern warnt die IG BAU vor einem „Klimanotstand“.
 
Foto: Adobestock

Foto: Adobestock

Niedersachsen. Dass es unseren Wäldern insbesondere aufgrund des Klimawandels immer schlechter geht, ist nicht neu. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts hat sich das Volumen des sogenannten Schadholzes in den vergangenen zwei Jahren auf 32 Millionen Kubikmeter und damit um das Sechsfache erhöht.
Die Bäume seien insbesondere von Borkenkäfern befallen. Vor allem die langen Dürre- und Hitzephasen in den vergangenen zwei Jahren haben nach Ansicht von Expert*innen viele Bäume geschwächt und anfällig für Schädlinge gemacht.
 
„Klimanotstand im Wald“ und Personalmangel
 
Vor einem „Klimanotstand im Wald“ warnt deshalb jetzt die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) und fordert mehr Forstpersonal, das sich um die Bekämpfung von Schädlingen kümmern und gleichzeitig den Wald „klimagerecht umbauen“ und fit für die Zukunft machen kann. In Niedersachsen machen Nadelbäume – ein Großteil davon in Monokulturen – 52 Prozent der rund 1,2 Millionen Hektar des Waldes aus. Es bestehe dringender Handlungsbedarf, weil sonst immer mehr heimische Bäume Dürren, Stürmen und Schädlingen zum Opfer fallen könnten, betont Inge Bogatzki vom IG BAU Bezirksverband Land Bremen & Umzu.
Im Austausch mit Förster*innen und Waldarbeiter*innen werde immer wieder deutlich, dass es an Fachpersonal mangele. Problematisch sei zum Beispiel, dass Waldarbeiter*innen häufig in kleineren Waldgebieten fehlten, weil sie – wie aktuell der Fall – in größere Waldgebiete im Süden und Südosten Niedersachsens abgezogen würden.
„Seit Jahren erleben wir einen besorgniserregenden Personalabbau im Forst“, sagt Inge Bogatzki. Zur Borkenkäferbekämpfung hätten die niedersächsischen Landesforsten bislang lediglich einige befristete Förster*innen eingesetzt. Qualifizierte Forstwirtstellen sollen weiter abgebaut werden bzw. nicht neu besetzt werden.
 
Dramatische Lage
 
Dabei sei die Lage auch in Niedersachsen dramatisch. Nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums dürften in Niedersachsen - gerechnet seit 2018 – bis Ende des Jahres rund 13 Millionen Kubikmeter Schadholz anfallen. Extreme Wetterlagen und Schädlinge würden demnach bis Jahresende eine Waldfläche von 26.300 Hektar vernichtet haben.
Um die Wälder für den Klimawandel zu wappnen, müssten weiter Mischwälder angelegt und klimabeständige Baumarten angepflanzt werden. Der Waldumbau sei jedoch eine Mammutaufgabe, für die es viel mehr Förster*innen und Forstwirt*innen brauche als bislang. Betriebe sollten deshalb auch mehr ausbilden und Azubis übernehmen, betont die Gewerkschafterin.
 
Klimastabile Mischwälder aufbauen
 
Die Forderung nach mehr Personal sei auf Grund der derzeitigen Extremsituation durchaus nachvollziehbar, sagt Stephan Johanshon, Geschäftsführer der Landesjägerschaft Niedersachsen e.V. auf Nachfrage des Anzeigers. Es müsse ausreichend Personal vorhanden sein, um den Aufbau klimastabiler Mischwälder zu ermöglichen.
 

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Vor dem Hintergrund der derzeitigen Situation in der Forstwirtschaft, die neben der Wiederbewaldung großer Kahlflächen auch die Weiterentwicklung bzw. Neuausrichtung des LÖWE-Programms (Langfristige ökologische Waldentwicklung) als Ziel haben müsse, müssten alle Betroffenen an einen Tisch kommen und gemeinsam tragfähige Konzepte, Kompromisse und Lösungsansätze entwickeln, bei denen die unterschiedlichen Interessen Berücksichtigung finden, so Johanshon. Die Jäger*innen seien bereit, hierzu ihren Beitrag zu leisten.
 
Wenig Schadholz in der Region
 
Eine etwas andere Sicht auf die Dinge hat Udo Hagenah aus Kuhstedt (Gemeinde Gnarrenburg). Er führt mit seinem Forstbetrieb im Auftrag der Niedersächsischen Landesforsten inzwischen bereits seit knapp zwei Jahren Forstarbeiten in den Waldgebieten Solling (Weserbergland) und im Harz durch. Durch Versäumnisse in der Vergangenheit habe sich der Borkenkäfer dort stark ausbreiten können und es falle viel Schadholz an, das verarbeitet werden müsse, so Hagenah. Es sei zwar nicht optimal, dass er und seine Mitarbeiter derzeit nur an den Wochenenden zu Hause sein könnten, dafür sei aber in unserer Region der Holzeinschlag weitgehend gestoppt. „Vor meiner Haustür gibt es im Moment nichts zu tun, weil hier so wenig Schadholz anfällt“, sagt der Unternehmer. Das liege auch daran, dass in der Vergangenheit in den regionalen Wäldern gute Arbeit geleistet worden sei. Dadurch sei es dem Borkenkäfer nicht gelungen, sich derart auszubreiten wie im Süden Niedersachsens, sagt Hagenah.
 
Schädlingsbefall rechtzeitig erkennen
 
Borkenkäfer kommen weltweit und an allen Laubbäumen und Nadelbäumen vor und besiedeln meist geschädigte oder bereits abgestorbene Nadelbäume oder Laubbäume. Einige befallen aber auch gesunde Bäume und bohren sich durch die Rinde. Dort legen sie Brutgänge für ihre Nachkommen an. Unter günstigen Bedingungen wie Windwurf, Schneebruch oder Trockenheit vermehren sie sich sprunghaft und können Waldbestände großflächig zum Absterben bringen. Wichtig bei der Bekämpfung der Schädlinge ist, dass befallene Bäume möglichst frühzeitig erkannt (an herausrieselndem Bohrmehl) und eingeschlagen werden, bevor die Käfer wieder ausfliegen und neuen Befall verursachen. Außerdem muss das Schadholz schnell aus dem Wald abtransportiert werden.
 
Wälder in der Region
 
Im Landkreis Osterholz werden nach Landkreisinformationen knapp 7.650 Hektar forstwirtschaftlich genutzt. Das entspricht 11,8 Prozent der Gesamtfläche des Landkreises. Damit liegt der Waldanteil hier deutlich unter dem Landesdurchschnitt von ca. 21 Prozent. Den mit ca. 20 Prozent höchsten Waldanteil hat dabei die Geest, während im Bereich der Wesermarschen und der Hamme-Oste-Niederung keine größeren zusammenhängenden Waldgebiete bestehen.
Bei den Wäldern handelt es sich überwiegend (54,8 Prozent) um Nadelwälder aus Fichten und Kiefern. Aufforstungen mit Douglasie, Tanne und Japanischer Lärche kommen vereinzelt vor. Mischwälder haben einen Anteil von 27,4 Prozent, Laubwälder aus Buche und Eiche machen 12,9 Prozent aus.
Im Landkreis Rotenburg gibt es deutlich mehr und größere Waldgebiete, unter anderem Hinzel, Bevener Wald, Ummel, Großes Holz, Thörenwald, Luhner Forst, Grafeler Holz und Linnewedel. Gut 70 Prozent der Wälder sind schon seit vielen Generationen in Privatbesitz. Die Eigentümer sind in den Forstbetriebsgemeinschaften Rotenburg, Zeven und Bremervörde organisiert und kommen insgesamt auf 16.652 Hektar Wald.
Lesen Sie in der der nächsten Ausgabe die Stellungnahme der Niedersächsischen Landesforsten.


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