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Patrick Viol

Großmütter mit antifaschistischem Auftrag: Über das Engagement der Omas gegen Rechts

Bremerhaven/Beverstedt. Der ANZEIGER hat sich mit Andrea Türk aus Beverstedt unterhalten. Sie ist Gründungsmitglied der Regionalgruppe Omas gegen Rechts Bremerhaven und Umzu.

Andrea Türk ist mit ihren 53 Jahren zwar keine physische Oma, aber aus Überzeugung eine Oma gegen Rechts: „Ich möchte meinen Kindern eine lebenswerte und demokratische Zukunft sichern,“ antwortet sie auf die Frage, warum sie 2018 die Facebook Gruppe „Omas gegen Rechts Bremerhaben und Umzu“ ins Leben rief. Kurz zuvor hatte sie die Bremer Initiatorin der deutschen Omas gegen Rechts Gerda Smorra kennengelernt. Ursprünglich gegründet wurden die Omas gegen Rechts 2017 in Österreich.
Die Omas aus Bremerhaven und Umzu blieben aber nicht nur digital miteinander über Facebook verbunden. Bereits zum ersten Treffen im Januar 2019 seien 20 unterschiedliche Frauen aus verschiedenen Lebens-und Arbeitszusammenhängen zusammengekommen. Manche seien Lehrerinnen, andere stammen aus dem akademischen Bereich, wiederum andere sind  Alt-68erinnen, manche Hausfrauen oder Künstlerinnen. So wie Türk. Sie arbeitet als Sängerin, Gesangslehrerin und Musik-Geragogin, d.h. sie arbeitet musikalisch mit Senior*innen.
Letztlich könne bei den Omas jeder mitmachen. „Man muss nicht einmal eine richtige Oma sein, man darf auch ein Opa oder eine Enkelin sein“, sagt Türk. Sie sei auch keine Oma, sondern eine Mutter von zwei Jungs, die noch etwas zu jung für eigene Kindern sind. Um bei den Omas mitzumischen, müsse man nur deren Grundsätze vertreten: Dass man sich gegen die Ausbreitung rechter und faschistischer Strömungen positioniert und sich für den Erhalt der demokratischen und offenen Gesellschaft engagiert. „Nie wieder Faschismus“ sei das Credo der engagierten Omas.
 
Das Engagement der Omas
 
Die Omas sind Teil des Bündnisses Bremerhaven gegen Rechts. Sie verstehen sich als eine „zivilgesellschaftliche überparteiliche Initiative, die sich in den politischen Diskurs einmischen will“, wie es in ihrem Grundsatztext formuliert ist. Dementsprechend treten sie auch öffentlich auf, gehen beispielsweise auf Wochenmärkte und sprechen vor Ort mit den Menschen. Oder nehmen an Demonstrationen teil. Auch auf Fridays for Future Demos liefen sie bereits mit, nachdem man sie um Unterstützung gebeten habe.
Im norddeutschen Raum komme den Omas viel Sympathie entgegen. Türk weiß aber auch von Bedrohungen von Mitgliedern aus anderen Städten in Richtung Süden, wo z. B. schon Häuser besprüht worden seien. Sie erzählt auch von dem Vorfall in Halle, wo auf einer rechten Kundgebung der überregional bekannte rechte Aktivist Sven Liebich demonstrierende Omas aufforderte, sich in Flüchtlingsheimen vergewaltigen zu lassen.
Die Omas lassen sich aber dadurch nicht einschüchtern. Im Gegenteil. Sie klären über die bedrohlichen Entwicklungen von Antisemitismus, Rassismus, Frauenfeindlichkeit und Faschismus auf und organisieren als eine starke Gruppe politischen Widerstand.
Das kann ganz konkret bedeuten, in Zeiten von Corona über rechte Verschwörungsideologien aufzuklären oder Recherchearbeit zu leisten. Wie zum Beispiel zu der Aktion Fridays gegen Altersarmut. Türk hat sich diese Kampagne bei ihrem Aufkommen einmal näher angeschaut und konnte Verbindungen des Veranstalters in die rechte Szene aufzeigen. Solche Arbeit sei wichtig, damit Menschen „sich nicht vor den Karren rechter Propoganda schnallen lassen“, so Türk.
 
Ein sicherer Hafen
 
Für die Omas schließt das Engagement gegen Rechts ein Eintreten für eine gerechte und menschenrechtskonforme europäische Migrationspolitik ein. So setzt sich beispielsweise die Stader Gruppe mit einer Petition dafür ein, dass die Hansestadt dem Bündnis „Städte sicherer Häfen“ beitritt, um Flüchtlinge über das zugewiesene Kontingent aufzunehmen. Vor allem aus den griechischen Lagern.
 
8. Mai - arbeitsfrei
 
Eine andere Petition, die die Omas derzeit unterstützen, ist jene, die fordert, dass der 8. Mai, der Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus, zum bundesweiten Feiertag wird. Initiiert hat die Petition Esther Bejarano. Sie hat das Vernichtungslager Auschwitz überlebt und konnte auf dem Todesmarsch vom KZ Ravensbrück der SS entkommen. Bejarano ist nicht nur Ehrenpräsidentin der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschist*innen (VVN-BdA), der man vor Kurzem die Gemeinnützigkeit abgesprochen hat. Sie ist auch Ehrenoma der Hamburger Omas gegen Rechts. Mit ihrer Petition möchte sie erreichen, dass niemand mehr daran zweifelt, dass die Niederlage des Faschismus ein Grund zum Feiern ist. Das ist natürlich auch der Beverstedterin und ihren Mitstreiterinnen eine Herzensangelegenheit. Die Petition kann noch weiterhin unterzeichnet werden und findet sich ganz leicht unter www.change.org.
 
Verstärkung gesucht
 
Leider gebe es in Bremervörde und im Landkreis Osterholz noch keine Gruppe. Wer sich Andrea Türk und ihren Mitstreiterinnen aber anschließen oder eine eigene Gruppe gründen möchte, kann sich an die Bremerhavener Gruppe unter der E-Mail-Adresse OGR-Bremerhaven@gmx.de wenden oder bei Facebook eine Gruppe erstellen.
Wer sich bei Recherchen im Netz wundert: Ja, es gibt einmal den Omas gegen Rechts Deutschland e. V. und einmal das Omas gegen Rechts Deutschland Bündnis. Der Verein und das Bündnis gehören nicht zusammen. Während der Verein im Grunde nur als eine Profilierungsplattform einer Person fungiere, so Türk, sei das Bündnis die basisdemokratische Graswurzelbewegung, die dem wahren Zweck der Omas gegen Rechts diene: dem Kampf gegen das Fortleben des Faschismus.


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