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Archäologen forschen auf dem Areal des ehemaligen Stalag X B

Sandbostel (eb). Minimalinvasive Eingriffe sind gerade in der Medizin sehr beliebt, da sie den Patienten nur geringfügig belasten. Die Archäologie ist ein Schritt weiter: nichtinvasive Untersuchungen - Archäologie ohne Ausgrabung.
 

Ende Februar konnten Autofahrer bei Sandbostel und Besucher der Gedenkstätte ein seltsames Schauspiel beobachten: Bei windigem und teilweise auch regnerischem Wetter zogen mehrere Personen ein seltsames Gefährt über den Acker. Dabei handelte es sich aber nicht um experimentelle landwirtschaftliche Techniken, sondern um moderne archäologische Erkundungsmethoden.
 
Geophysikalische Messungen
 
Angehörige des Instituts für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie der Universität Hamburg haben im Rahmen eines Kooperationsprojektes mit der Gedenkstätte Lager Sandbostel und der Kreisarchäologie Rotenburg (Wümme) geophysikalische Messungen auf Flächen des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers durchgeführt. Während sich die Archäologie klassischerweise mit lang zurückliegenden Zeiten beschäftigt, rückt in den letzten Jahrzehnten auch die jüngere und jüngste Vergangenheit immer mehr in das Interesse archäologischer Forschung, da diese mit anderen Methoden als die Geschichtswissenschaft ergänzende Ergebnisse liefern kann.
Im ehemaligen Kriegsgefangenenlager von Sandbostel wurden bereits vor einigen Jahren Ausgrabungen durch die Kreisarchäologie Rotenburg (Wümme) durchgeführt, die durch die neuen Untersuchungen nun ergänzt werden.
„Wir sind sehr glücklich über die Kooperation mit der Uni Hamburg und der Gedenkstätte Lager Sandbostel“ freut sich auch der Rotenburger Kreisarchäologe Stefan Hesse. „Uns selber stehen die notwendigen Geräte nicht zur Verfügung und jetzt erlangen wir ein vollständigeres Bild der Denkmalstruktur im Boden“.
 
Verborgene Strukturen sichtbar machen
 
Geomagnetische Untersuchungen sind in der Archäologie besonders für obertägig nicht mehr sichtbare Denkmäler von Bedeutung. Durch die Messung von Magnetisierungsunterschieden können so unter der Oberfläche verborgene Strukturen sichtbar gemacht werden, ohne direkt in den Boden eingreifen zu müssen.
Ziel des Projektes war es, die noch im Erdreich erhaltene Substanz von Lagerstrukturen wie Barackenresten, Stacheldrahtzäunen usw. zu erfassen. Während archäologische Ausgrabungen deutlich zeitintensiver sind und vor allem immer auch eine teilweise Zerstörung eines Bodendenkmals mit sich bringen, können entsprechende nicht-invasive Methoden zerstörungsfrei und großflächig Erkenntnisse über die im Boden erhaltenen Strukturen liefern. Nachdem schon auf den ersten Blick in den Ergebnissen der Messungen Reste von Baracken und Lagerzäunen erkannt werden konnten, werden die erhobenen Daten derzeit im Detail ausgewertet. Die gewonnenen Erkenntnisse werden dabei einerseits für die regionale Denkmalpflege von Bedeutung sein, tragen aber auch zur interdisziplinären Erforschung des Lagers bei. Darüber hinaus können sie auch in die Erinnerungsarbeit einfließen, da heute nicht mehr erhaltene Lagerbereiche so wieder sichtbar gemacht werden.
 
Daten von großer Bedeutung
 Für die Baugeschichtsforschung der Gedenkstätte Lager Sandbostel sind die durch die Messungen gewonnenen Daten von großer Bedeutung, da es insbesondere über die außerhalb des heutigen Gedenkstättengeländes liegenden Areale nur wenige Informationen gibt. Zwar sind die Baupläne des Kriegsgefangenenlagers überliefert, in der konkreten Umsetzung gab es aber teils deutliche Unterschiede. Zudem sind die konkreten Konstruktionsdetails der meisten Gebäude nicht überliefert. Nach der Befreiung des Kriegsgefangenenlagers Sandbostel am 29. April 1945 durch Soldaten der britischen Armee sind nach der Versorgung der Überlebenden ein Teil der Baracken zum Schutz vor Typhus und anderer Infektionskrankheiten niedergebrannt worden, ein Teil zur Weiternutzung verkauft und ein weiterer Teil zunächst als Internierungslager weitergenutzt worden. Insbesondere bei den niedergebrannten und verkauften Baracken ist nicht klar, ob alle Holzgebäude tiefengetrümmert wurden, oder ob stellenweise noch relevante Bodenstrukturen überliefert sind. Nach einer eingehenden Analyse der Befunde aus der aktuellen Kampagne erhofft sich der Leiter der Gedenkstätte, Andreas Ehresmann, nun „insbesondere Klarheit darüber, ob bei den nicht zum eigentlichen Lager gehörenden Flächen anderer Bestandteile des Lagerkomplexes (Lazarett, Wachmannschaften- und Sonderlager) Bodenstrukturen wie Fundamente oder Zaunverläufe erkennbar und dadurch Bautypen und Konstruktionsdetails ableitbar sind.“


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