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Mark Wege

Kommentar: Infrastruktur statt Sonntagsreden

Das 9 Euro Ticket geht zu Ende, aber die Verkehrswende hat noch nicht einmal richtig begonnen. Mark Wege fordert mehr Ambitionen von den politischen Verantwortlichen.

Bild: Guillaume Piolle

Die vergangenen drei Monate haben gezeigt: Die Menschen wünschen sich einen einfachen und günstigen Nahverkehr. Doch ein günstiges Ticket nützt denen wenig, deren Orte weitgehend vom Nahverkehr abgehängt sind. Gleichzeitig machen andernorts überfüllte Fahrzeuge den Nahverkehr nicht attraktiver. Der Nahverkehr muss also dringend ausgebaut werden. Das ist keine Neuigkeit, kann aber nicht oft genug wiederholt werden. Wenn wir wollen, dass die Menschen in der Klimakrise den Umweltverbund aus Fuß, Rad & ÖPNV nutzen, dann müssen die Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden.
Die Zukunft des Nahverkehrs wird nicht aus Sonntagsreden und kurzfristigen, populären Projekten gestrickt. Wir brauchen einen Ausbau der Infrastruktur und des Angebots.
Zuständig sind zunächst Länder und Kommunen. Hier können wir Worte an Taten messen: Die Bilanz von Landesverkehrsminister Althusmann, der sich kürzlich für ein 9 Euro-Ticket-Nachfolgeangebot stark gemacht hat, sieht eher mager aus. So hat er die von seinem Vorgänger angestoßene Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken weitgehend zum Erliegen gebracht. Ebenso hat er die Einführung eines niedersachsenweiten, günstigen Ticket für junge Menschen verhindert. Doch auch der Osterholzer Landrat Bernd Lütjen muss sich fragen lassen, warum der im Juli vorgelegte Entwurf des Nahverkehrsplans 2023-27 so ambitionslos ist.
Lütjen ist Vorsitzender des verantwortlichen Zweckverbands ZVBN. Im Entwurf sucht man vergebens zeitgemäße, überprüfbare Zielvorgaben wie z. B. verbundweite Mindestbedienstandards wie eine der Einwohnerdichte adäquate Taktung. Plangemäß soll es weiterhin Orte geben, die abends und am Wochenende gar nicht oder nur eingeschränkt zu erreichen sind. Die Kommunen wurschteln weiter vor sich hin, denn auch ein gemeinsames Vorgehen beim Umgang mit den zunehmenden Personalproblemen, dem Klimaschutz, der Wiedergewinnung von Fahrgästen nach Corona, der Verbesserung der Pünktlichkeit oder Investitionsziele ist nicht erkennbar. Der Plan muss einstimmig verabschiedet werden. Sie können den Landrat fragen, ob er dem Plan ohne eine grundlegende Überarbeitung zustimmen wird.
 Mark Wege ist Gründer und Sprecher der in Bremen gegründeten Initiative „Einfach Einsteigen“. Die Initiative setzt sich für ein anderes Finanzierungsmodell des Nahverkehrs ein. Statt über Tickets soll er durch eine Nahverkehrsumlage finanziert werden, sodass jede:r einfach einsteigen kann. Diese soll, wie bei der Sozialversicherung, durch Unternehmen und Bürger:innen gleichermaßen getragen werden. Um unnötige Härten zu vermeiden, muss diese sozialverträglich gestaffelt und bei Unternehmen zumindest teilweise an den Gewinn gekoppelt werden.


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