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Lena Stehr

Explodierende Energiepreise verstärken soziale Kälte

Niedersachsen. Verbraucherzentrale und Sozialverband warnen vor drohender sozialer Schieflage und fordern Maßnahmen für Einkommensschwache.

Die Energiepreise steigen rasant. Laut dem Portal Check24 sind die Heizkosten in Deutschland im September im Vergleich zum Vorjahr um 33 Prozent gestiegen. Für Strom zahlten Verbraucher vier Prozent mehr. Der Heizölpreis pro Liter hat sich von 57 Cent im Januar auf inzwischen rund 88 Cent erhöht. Und die Gas-Rechnungen dürften im Durchschnitt 11,5 Prozent teurer werden.
Die Gründe dafür sind vielschichtig. Beim Gaspreis sind für den Anstieg vor allem die Beschaffungskosten ausschlaggebend. Sie sind abhängig von der Nachfrage auf dem Weltmarkt, Witterungsbedingungen und geopolitischen Krisen. Der rasante Wiederaufschwung nach der Corona-Krise trieb den Bedarf nach Energie, insbesondere Gas, deutlich an. Vor allem verflüssigtes Gas (LNG) wurde kaum noch nach Europa geliefert, es ging vorwiegend nach Asien, weil dort mehr gezahlt wurde.
Der ungewöhnlich lange und kalte Winter in vielen Regionen der Welt führte dazu, dass die Lagerbestände relativ niedrig sind. Momentan sind die Gasspeicher in der EU nur zu rund 71 Prozent befüllt, in Deutschland sogar nur zu 64 Prozent.
 
Soziale Schieflage befürchtet
 
Nun wachsen die Befürchtungen, dass einige Haushalte ihre Rechnungen bald nicht mehr bezahlen können. Sozialverband VdK und Verbraucherzentrale warnen vor einer „dramatischen sozialen Schieflage“. Höhere Kosten für Lebensmittel, Wohnen, Energie und Verkehrsmittel treffen grundsätzlich Menschen mit geringem Einkommen wie Rentner:innen, Grundsicherungsempfänger:innen, Beschäftigte im Niedriglohnsektor, Alleinerziehende, Kranke sowie Menschen mit Behinderung am härtesten und verschlechtert deren ohnehin missliche Lage, betont der Sozialverband VdK Niedersachsen-Bremen. Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sei mit den knappen finanziellen Mitteln dieser Menschen kaum mehr möglich und sie würden an den Rand der Gesellschaft gedrängt.
 
Einkommensschwache entlasten
 
Die EU-Kommission schlägt den Mitgliedsländern deshalb vor, einkommensschwachen Haushalten Gutscheine auszustellen oder gezielt Steuern zu senken. Auch für mittelständische Unternehmen seien staatliche Hilfen und gezielte Steuersenkungen möglich. Dies könne finanziell aus den gestiegenen Einnahmen des europäischen Emissionshandels unterstützt werden. Die Vorschläge würden auf einem Gipfel am 21. und 22. Oktober diskutiert.
Einige EU-Länder haben unterdessen Maßnahmen eingeleitet. Frankreich, das im gleichen Zusammenhang Kernkraft als grüne Energie ins Spiel bringt, hat eine Tarifbremse für Strom und Gas angekündigt und will ärmeren Haushalten je 100 Euro zahlen. Italien will Haushalten durch Steuersenkungen einen Teil ihrer Strom- und Gasrechnungen erlassen. Polen hingegen nimmt die Energiepreise zum Anlass, das Fit-for-55-Paket, die Klimamaßnahmen der EU, insgesamt infrage zu stellen.
Die amtierende Bundesregierung plant dagegen keine zusätzlichen staatlichen Maßnahmen gegen die steigenden Energiepreise. Der Sozialverband VdK Niedersachsen-Bremen sieht nun die kommende Regierung in der Pflicht. SPD und Grüne sollten ihr Wahlversprechen einhalten und den Mindestlohn sofort auf zwölf Euro und in einem zweiten Schritt auf 13 Euro anheben, um eine Altersvorsorge oberhalb der Grundsicherung sicherzustellen.
In der Grundsicherung sollten zudem die Regelsätze so angepasst werden, dass sie eine Inflation ausgleichen, alles andere komme einer Leistungskürzung gleich. Zudem müssten die Kosten der Unterkunft realistischer berücksichtigt und an die realen Wohnverhältnisse angepasst werden. Neben den reinen Wohnkosten sollten auch die Heiz- und Stromkosten in tatsächlicher Höhe übernommen werden.
Thomas Behnke, Energieberater bei der Verbraucherzentrale in Bremervörde, weist darauf hin, dass vor allem Menschen im ländlichen Raum massiv unter den steigenden Preisen leiden, weil sie meistens aufs Auto angewiesen seien. Der steigende Benzinpreis mache sich unmittelbar im Portemonnaie bemerkbar, während die steigenden Energiekosten erst im kommenden Jahr zu Buche schlagen würden. Es werde künftig mehr Menschen geben, die Grundsicherung beantragen müssten.
 
Auf Erneuerbare Energie setzen
 
Er rät Verbraucher:innen, jetzt zu handeln, um hohe Nachzahlungen zu vermeiden. Mit bewusstem Heizen und einer Senkung der Raumtemperatur um zwei Grad ließe sich zum Beispiel schon viel erreichen. Jetzt sei zudem ein günstiger Zeitpunkt auf erneuerbare Energien umzusteigen und die Ölheizung durch eine Wärmepumpe mit PV-Anlage oder durch eine Holzpelletheizung zu ersetzen, sagt Behnke. Zuschüsse von bis zu 50 Prozent seien hier möglich.
Tipps dazu gibt der Bundesverband der Verbraucherzentralen unter der kostenlosen Telefonnummer 0800/809802400.


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